BW 04/2022 - Agenda

Grünes Geld an die Spree

Berlin als weltweite Metropole der nachhaltigen Ideen und Produkte: Wie wir die Transformation aktiv angehen und gestalten können
Berlin hat eine lange Tradition als Stadt der Freiheit, der Chancen und der Zukunftsgestaltung. Berlin bleibt auch heute noch die Stadt der Hoffnung – aktuell für die vielen Menschen aus der Ukraine, denen die Freiheit abrupt und brutal genommen wurde. Hier kommt Berlin als Stadt der Hoffnung eine besondere Verantwortung zu. Der Krieg in der Ukraine betrifft alle und überschattet alles. Und natürlich muss zunächst alles Menschenmögliche getan werden, um den Krieg zu beenden und den Menschen, deren Hoffnung und Heimat von Raketen zerstört wurden, zu helfen. Der Ukraine-Krieg zeigt uns auch, dass wir in allen Bereichen nachhaltiger planen und agieren müssen. Die Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft ist die große Herausforderung unserer Zeit. Diese Entwicklung müssen wir aktiv angehen und gestalten. Und auch hier bringt Berlin alles mit, um zu einer weltweiten Wirtschaftsmetropole der nachhaltigen Ideen und Produkte zu werden.
Unsere Vision ist es, dass Berlin bis 2035 zu einem Leuchtturm für Nachhaltigkeit wird. Denn natürliche Ressourcen sind knapp, und Nachhaltigkeit ist alternativlos, wenn es darum geht, ein langfristig ausgewogenes Wirtschaftswachstum sicherzustellen. Konkret heißt das, dass Berlin bis 2035 alle 17 „Sustainable Development Goals“, also die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, erreicht hat, zentrale soziale, ökologische und ökonomische Interessen in den Ausgleich gebracht hat und seine Erkenntnisse in einer Berliner Weltausstellung mit weiteren Ländern dieser Welt teilt.

Expo der Nachhaltigkeit

Mit einer Expo der Nachhaltigkeit wird Berlin zu dem zentralen Ort, der die Welt anzieht, um hier Inspirationen zu finden und Lösungen zu entwickeln. Dabei wird die ganze Stadt zum Expo-Feld. Aus den erfolgreich transformierten Kiezen, um voneinander zu lernen, wie die Welt mit sich selbst in Einklang gebracht werden kann. „Lösungen made in Berlin“ werden so zum weltweiten Exportschlager und schaffen eine neue Zeitenwende. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage im „Tagesspiegel“ zeigt, dass diese Idee einer Nachhaltigkeits-Expo in allen Kiezen bei vielen Berlinern gut ankommt.
Damit aus Visionen Realitäten werden, müssen wir uns aber jetzt auf den Weg machen. Und zwar gemeinsam: Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft. So muss die Berliner Verwaltung neue Wege beschreiten. Unverzichtbar ist, in Behörden Ermessensspielräume zum Möglich-Machen zu schaffen und Entscheidungsfreude zu belohnen. Teil der Vision ist es, dass Zukunftsorientierung, Gestaltungskraft und Agilität vorherrschen.
→ Dazu gehört, dass Berlin eine leistungsstarke und serviceorientierte Verwaltung aufbaut und einen Paradigmenwechsel in der Beschaffungs- und Vergabepraxis einleitet. Mit ihr werden schlanke, digitale Services und Prozesse angekurbelt und die Innovationsdynamik des Wirtschaftsstandortes beschleunigt. Auch kommen neue Unternehmen sowie innovative Köpfe aus Wirtschaft und Wissenschaft nach Berlin und bereichern die Stadt mit ihren Ideen und ihrem Know-how.
→ Dazu gehört, dass der Wohnungs- wie Gewerbebau erheblich beschleunigt wird. Unternehmen bauen bedarfsgerecht und lassen den überhitzten Markt wieder abkühlen. Es entsteht bezahlbarer Raum für junge Unternehmen und Menschen.
→ Dazu gehört, dass Industrie, Dienstleister und das Handwerk neue Lösungen für die Energiewende und den Klimaschutz entwickeln und auch kurzfristig umsetzen dürfen. Wichtig bleibt, dass Wirtschaftsverkehr und nachhaltige Verkehrswende gemeinsam gedacht und umgesetzt werden.
→ Dazu gehört, dass zirkuläres Wachstum und Circular Economy gestärkt werden.
→ Dazu gehört nicht zuletzt ein völlig neues Verständnis von Bildung: interaktiv, lebendig, den Interessen und Fähigkeiten der Schüler angepasst. Ein Bildungssystem, das Testen ermöglicht, Fehler erlaubt, schnelles Lernen unterstützt, auf die verschiedenen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schüler eingeht und Nachwuchskräfte zur Gestaltung der Zukunft befähigt. Wir wollen die kommenden Generationen auf die Zukunft vorbereiten und dabei vor allem auf die menschlichen Fähigkeiten setzen sowie den Umgang mit neuer Technologie.
Das alles ist jedoch nicht möglich ohne das Engagement und den Innovationsgeist der Berliner Wirtschaft. Berlin braucht stetig neue nachhaltige Geschäftsideen, die als Reallabor erprobt und zu funktionierenden Produkten und Dienstleistungen weiterentwickelt werden.
Doch keine große Idee kommt ohne Finanzierung aus. Um Berlin zu einem Leuchtturm für Nachhaltigkeit zu machen, braucht es daher wirksame Finanzierungsstrukturen. Nur so kann eine Transformation dieses Ausmaßes stattfinden und mit ihrer Strahlkraft auch bis in alle „Ecken“ dieser Welt wirken. Dabei stellen sich wichtige Fragen:
→ Welche Instrumente und Kapitalzugänge braucht es, um nachhaltige Ideen und Lösungen „made in Berlin“ erfolgreich zu finanzieren, damit aus ihnen über alle Phasen hinweg starke nachhaltige Unternehmen reifen?
→ Sind neben der guten alten Kreditfinanzierung über Banken inzwischen Finanzierungsformen wie Private Equity, Private Debt oder die zunehmende Schwarm-Finanzierung ausreichend?
Und auf der Nachfrageseite:
→ Wie steht es um die Finanzierungskultur der Berliner Unternehmen mit innovativen, nachhaltigen Ideen und Lösungen?
→ Braucht es hier einen „Schubs“ in Richtung stärkerer Kapitalmarktorientierung?
→ Passen Rechtsform und Governance-Anforderungen, die etwa ein Börsengang mit sich brächte, zu diesen Unternehmen?
→ Oder werden andere Finanzierungsquellen bevorzugt, weil der Zugang flexibler erscheint und geringere Kosten anfallen?

Aufwertung der Berliner Börse?

Wichtig sind vor allem ein breites und zu den unterschiedlichen Finanzierungsphasen passendes Angebot an Finanzierungsquellen, ein Regulierungsrahmen, der bei aller Risikoabsicherung die Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung nicht unnötig erschwert, und hohe Transparenz bei Finanzierungszugängen und -kosten.
Schon jetzt zielen weitreichende Initiativen auf EU-Ebene wie der „Green Deal“ und das „Sustainable Finance Framework“ auf eine umfassende Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ab. Und schon jetzt wird klar, dass dies tiefgreifende Folgen nicht nur für den Finanzsektor, sondern auch für die Unternehmen der Realwirtschaft haben wird. Die EU-Taxonomie zur Nachhaltigkeitsbewertung wirtschaftlicher Aktivitäten wird neue Berichtspflichten mit sich bringen. Perspektivisch wird sich jedes Unternehmen mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie es um Nachhaltigkeitsaspekte seines Geschäftsmodells bestellt ist.
Es braucht Mut und Kreativität, um neue Denkwege zu gehen. Wie etwa diesen: Braucht es, insbesondere für spätere Finanzierungsphasen, einen Zugang zu einem größeren Investorenkreis, etwa über die Emission von Unternehmensanteilen? Wäre also die Revitalisierung und Aufwertung der Berliner Börse am Finanzplatz Berlin – vielleicht sogar als Leitbörse für den Handel nachhaltiger Unternehmensanteile – mehr als eine Überlegung wert?
Die Welt ist im Wandel, und sie braucht unsere Ideen, Lösungen und unseren Mut. Gemeinsam mit ihren Partnern setzt sich die IHK Berlin für diesen wichtigen Transformationsprozess auf allen Ebenen ein.
IHK-Initiative
Alle Informationen zur Nachhaltigkeitsinitiative der IHK Berlin unter:
ihk-berlin.de/ nachhaltige-wirtschaft

von Daniel-Jan Girl