BW 04/2022 - Branchen

Absicherung neuer Risiken

Klima, Cyberkriminalität, Pandemien: Über diese ­Herausforderungen diskutierten Branchenvertreter beim 21. Tag der Versicherungswirtschaft
Durch Globalisierung und Digitalisierung rückt der systemische Charakter von Großrisiken immer mehr in den Vordergrund. So gehören der Klimawandel und seine Folgen zu den großen Herausforderungen kommender Generationen. Die Versicherungsbranche beschäftigen die Auswirkungen in Form von Extremwetterereignissen, Ernteausfällen oder gesundheitlichen Folgen bereits heute. Weitere Großrisiken betreffen die Cyberkriminalität oder auch Pandemien, wie wir gerade schmerzlich erleben. All diese Risiken sind nicht einzeln zu betrachten, sondern eng miteinander vernetzt.
Entsprechend überrascht es kaum, dass die Thematik der Versicherbarkeit solcher Großrisiken auch im Mittelpunkt der 21. Auflage des Tages der Versicherungswirtschaft stand. Führt uns die abnehmende Risikobereitschaft maßgeblicher Versicherer auf den Weg zu mehr Pflichtversicherungen? Was sind die Gründe für die zurückhaltende Zeichnungsbereitschaft? Kommt die Versicherungswirtschaft insgesamt ihrer Verantwortung nach, angemessene Deckungskonzepte für Großrisiken zur Verfügung zu stellen?
Um es vorwegzunehmen: Eine allgemeingültige Formel auf all die Fragen ließ sich auch bei dem gut besuchten Veranstaltungsformat nicht entwickeln. Allerdings zeigten die unterschiedlichen Perspektiven, die das hochkarätig besetzte Podium beisteuerte, mögliche Ansätze und Lösungsvorschläge auf.
Die Tagung fand zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder im Ludwig Erhard Haus statt. Als erster Redner begrüßte der Präsident der IHK Berlin die Gäste. Daniel-Jan Girl betonte in seinem Grußwort, dass Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Konsolidierung auch in der Versicherungsbranche zu einem anhaltenden Transformationsprozess führen. Sie seien nur mit Mut, Leidenschaft und Vertrauen zu meistern. Nach Girls Überzeugung bleibe der persönliche Kontakt zu den Kunden ein wichtiger Kompass für den Geschäftserfolg.
Anschließend gab Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski in seinem Einführungsstatement einen inhaltlichen Überblick, wie es in Deutschland um die Versicherbarkeit von Großrisiken bestellt ist. Erst unlängst bei dem Hochwasser im Ahrtal hätte man laut dem Experten von der Humboldt-Universität zu Berlin beobachten können, dass sich viele Menschen und Unternehmen bei der Risikoabschätzung von Elementarschäden irren. So stelle sich die Frage, ob die Folgen des Klimawandels nicht zeigten, dass Elementarschäden uns alle angehen und deswegen die Elementarabdeckung im Rahmen der Gebäude- und Inhaltsversicherungen als Pflichtbaustein enthalten sein müsse. Bezüglich von Cyber-Risiken gelte es massentaugliche Deckungskonzepte zu entwickeln, sonst seien die Kollektive zu klein, um die Schäden zu tragen. Insgesamt fehle es an einer unabhängigen unternehmensexternen Denkfabrik, die existenzielle Risiken wie Cyber-, Klima- und Pandemie- zu Ende denkt und dafür angemessene Deckungskonzepte vorschlägt.
Dr. Bernhard Gause, Mitglied der Geschäftsführung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), wies in seinem Statement auch auf die Bedeutung des Schutzes vor Cyber-Risiken hin: „Der Cyberschutz ist die Feuerversicherung des 21. Jahrhunderts.“ Zugleich gab der Experte des BDVM zu bedenken, dass aktuell gerade 30 Prozent der Unternehmen in Deutschland in diesem Bereich überhaupt versicherungsfähig seien.
Als letzter Referent griff Dr. Rolf Wiswesser, Vorstand Maklervertrieb der Allianz Versicherungs-AG, in seinem Redebeitrag unter anderem die Frage auf, ob man bei der Versicherung von Großrisiken den Staat als Partner benötige. Man solle alles daransetzen, privatwirtschaftliche Lösungen zu suchen. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden die Anregungen aus dem Publikum in die Diskussion integriert. Deutlich wurde an dem Abend: Die Versicherbarkeit von Klima-, Pandemie- oder Cyber-Risiken wird uns noch länger begleiten.

von Jens Bartels