BW 12/2021 - Fachkräfte

Die hohe Kunst der Einigung

Bei der IHK Berlin vermitteln ehrenamtliche Schlichter zwischen Auszubildenden und Ausbildenden, wenn es zum Streit kommt. Drei von ihnen erzählen von ihren Erfahrungen.
Für sein ehrenamtliches Engagement im IHK-Schlichtungsausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten von Ausbildenden und Auszubildenden bei der IHK Berlin bringt Dr. Markus Kelber gleich zwei Voraussetzungen mit: Er ist als Partner in der Mittelstandskanzlei Zenk Rechtsanwälte Fachanwalt für Arbeitsrecht, und er absolvierte vor seinem Studium eine Ausbildung im Zimmererhandwerk. „Ich finde es interessant, auch mal auf der anderen Seite zu sitzen und Entscheidungen treffen zu können.“ Kelber, der seit 2013 Arbeitgebervertreter im Schlichtungsausschuss ist, hat seitdem an rund 15 Schlichtungsverfahren teilgenommen – mit einer überdurchschnittlich hohen Einigungsquote von 80 Prozent.
Ein solches Verfahren, in dem kostenfrei Konflikte in Ausbildungsverhältnissen ohne Gericht geklärt werden können, wird entweder durch den Azubi oder den Betrieb auf Antrag bei der IHK eingeleitet. Zu einem zeitnahen Verhandlungstermin treffen sich die Beteiligten dann in einer Räumlichkeit der IHK Berlin. 40 Schlichterinnen und Schlichter, die jeweils für fünf Jahre berufen werden, gehören aktuell dem Ausschuss an: 23 Arbeitgebervertreter – bestimmt von der IHK Berlin – und 17 Arbeitnehmervertreter, benannt über den Deutschen Gewerkschaftsbund.
Im vergangenen Jahr wurden rund 60 Schlichtungsanträge gestellt. „Beantragt werden Schlichtungsverfahren nicht nur von Auszubildenden, sondern auch von Ausbildungsbetrieben“, sagt Katrin Dummer von der IHK-Geschäftsstelle Schlichtungsausschuss Ausbildung. „Zum Beispiel, wenn Probleme mit Auszubildenden betriebsintern nicht mehr zu klären sind oder keine Verbesserung in Sicht ist, ein Ausbildungsabbruch aber vermieden werden soll.“ Das sei auch ein Beleg für das Ausbildungsengagement der Betriebe. In etwa 60 Prozent aller Schlichtungsgespräche, an denen neben den Streitenden jeweils ein Arbeitgeber- und ein Arbeitnehmervertreter teilnimmt, kommt es zu Einigungen, durch die Arbeitsgerichtsverfahren vermieden werden können.
Bevor eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht verhandelt wird, muss der Schlichtungsausschuss angerufen werden. Überwiegend handele es sich, so Kelber, um Kündigungsstreitigkeiten – wenn also einem Azubi nach diversen Abmahnungen fristlos gekündigt wird, weil er seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. „Wir Schlichter versuchen dann nach Anhörung beider Parteien, den Ausbilder zu überzeugen, die Kündigung zurückzunehmen, sagen dem Azubi aber auch klar: Wenn das noch einmal vorkommt, dann ist tatsächlich Feierabend.“ Entschieden wird der Streit durch einen einvernehmlichen Spruch der Schlichtenden, der innerhalb von einer Woche von beiden Seiten anerkannt werden muss. Ist das nicht der Fall, steht der Weg zum Arbeitsgericht offen. Ein Schlichtungsgespräch dauere in der Regel etwa 45 Minuten, so Kelber.
Kristina Fuhrmann, Personalerin bei Ikea in Spandau, ist Schlichterin seit 2006. Die Mehrzahl der Streitgegenstände seien Fehlzeiten. „Ich hatte mal einen Fall, bei dem ein Auszubildender ein halbes Jahr vor seiner Prüfung wegen Fehlzeiten gekündigt wurde, weil er einen privaten Schicksalsschlag verkraften musste – dann lag es auf der Hand, dass wir sagten: Kommt, beide Seiten reißen sich zusammen. Der Betrieb gab dem Azubi noch eine Chance.“
Seit Anfang 2018 gehört auch Vivien Hermel dem Schlichtungsausschuss an. Die Immobilienmaklerin hat bereits im Alter von 25 Jahren 2011 ihr Unternehmen Living in Berlin gegründet. „Die Fälle, an deren Klärung ich bislang beteiligt war, fingen oft mit Kleinigkeiten an“, sagt Hermel. „Der Azubi kommt oft zu spät oder hat keinen Bock oder bringt schlechte Leistung, lügt den Chef an. Oder aber der Arbeitgeber verspricht irgendwelche Sachen und hält sich dann nicht dran, fordert, dass der Azubi ständig auch nach der Berufsschule noch arbeiten kommt.“ 
Die Fälle, an deren Klärung ich bislang beteiligt war, fingen oft mit Kleinigkeiten an. Vivien Hermel
Letzteres war konkret Thema eines Schlichtungsgesprächs, bei dem ein Auszubildender beklagte, dass sein Ausbildungsentgelt immer zu spät überwiesen werde. „Er hatte zudem keinen richtigen Arbeitsplatz, musste viel kopieren und Kaffee kochen – er fühlte sich nicht gefordert, obwohl seine schulischen Leistungen sehr gut waren.“ Das Ausbildungsverhältnis wurde dann mit Schlichterhilfe einvernehmlich aufgelöst. „Und der Arbeitgeber hat schließlich mitgeholfen, einen neuen Ausbildungsplatz zu finden.“
Katrin Dummer von der IHK, die jedes Schlichtungsgespräch moderiert, weiß um den Wert dieser Verfahren – für beide Seiten. „Und natürlich ebenso für uns, die IHK, die mithilfe ihrer äußerst engagierten Ehrenämtler viele Ausbildungsverhältnisse retten kann.“

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Weitere Informationen dazu und zum Schlichtungsverfahren unter: ihk-berlin.de/ausbildung-schlichten

von Almut Kaspar