AGENDA

Die Politik muss jetzt handeln

Nach Wahlkampf und Wiederholungswahl ist es höchste Zeit für Argumente und gute Ideen – um die Probleme der Stadt endlich in den Griff zu bekommen
Mit der Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs für eine Wiederholungswahl am 12. Februar 2023 betrat nicht nur das Gericht Neuland, sondern auch die Berliner Politik. Erneut mussten sich die Parteien einem Wahlkampf stellen, der in erster Linie dazu diente, sich voneinander abzugrenzen, unabhängig davon, ob es sich um bisherige Koalitionspartner oder Oppositionsparteien handelte.
Entsprechend hitzig diskutierten die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters oder der Regierenden Bürgermeisterin bei einer Diskussionsrunde, zu der die Handwerkskammer Berlin und die IHK Berlin Ende Januar eingeladen hatten. Anhand der Themen Verwaltungsmodernisierung, Fachkräfte, nachhaltige Mobilität und pragmatische Stadtentwicklung erläuterten die derzeit amtierende Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), Senatorin Bettina Jarasch (Bündnis90/Die Grünen), Senator Klaus Lederer (Die Linke), Kai Wegner (CDU), Sebastian Czaja (FDP) und Kristin Brinker (AfD) ihre Pläne für die Stadt in der noch bis 2026 laufenden Legislatur.
840 Unternehmerinnen und Unternehmer nahmen in Präsenz oder digital an der reichweitenstarken Diskussionsrunde teil und meldeten sich vorab oder während der Veranstaltung mit insgesamt 300 Fragen an die Politik. Was die Unternehmen dabei umtreibt? Die Verdrängung der Gewerbe durch Gewerbemietsteigerungen und fehlende Flächen; der geringe Wohnungsneubau, der die Preise in die Höhe treibt; fehlende Lieferzonen für den Wirtschaftsverkehr; die mangelnde Versorgung von Kitaplätzen sowie die abnehmende Qualität der Schulabgängerinnen und -abgänger bei gleichzeitig drohender Mehrbelastung durch eine Ausbildungsplatzumlage. Der fehlende Zuzug von Fachkräften, der den hiesigen Fachkräftemangel abmildern könnte. Und über all diesen Fragen und Sorgen steht das Gerüst dieser Stadt: die Verwaltung. Mehr als Verhinderer denn als Ermöglicher nimmt die hiesige Unternehmerschaft den Berliner Verwaltungsapparat wahr und wünscht sich mehr denn je klarere Abgrenzungen der Zuständigkeiten zwischen Bezirk und Senat und eine grundsätzliche Verwaltungsmodernisierung sowie Entbürokratisierung. Fatal ist dies angesichts der Tatsache, dass betriebliche Investitionsentscheidungen auch wesentlich davon abhängig sind, wie die Rahmenbedingungen vor Ort ausgestaltet sind, um Planungsunsicherheiten zu minimieren.
Die Stadt braucht Lösungen
Auf diese Nöte antwortete die Politik vor dem Wahltag am 12. Februar 2023 mit Streit und gegenseitigen Vorwürfen. Argumente und gute Ideen wurden dem Wahlkampf geopfert, Visionen für ein Berlin fehlten dabei gänzlich, und letztlich stand am Ende des Wahlkampfes im Fokus, wer nun wirklich mit wem so gar nicht kann. Dies quittierte die Wählerschaft am Wahlabend. Die einst stärkste Kraft in Berlin, die SPD, verlor gegen die CDU deutlich und konnte ihren zweiten Platz sogar nur hauchdünn gegenüber den Grünen mit um die hundert Wählerstimmen behaupten. Die FDP muss sich dagegen aus dem Abgeordnetenhaus verabschieden. 
Die rund 150 gewählten Vertreterinnen und Vertreter im Abgeordnetenhaus haben den Rest der Legislatur bis Herbst 2026 Zeit, wichtige Stellschrauben für die Wirtschaft zu stellen. Wer ins Rote Rathaus einzieht, war zu Redaktionsschluss offen. Wer auch immer den Führungsanspruch erhält, für die Wirtschaft ist es wichtig, dass schnell der politische Betrieb wieder aufgenommen wird. So adressierte Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, noch am Wahlabend direkt die Erwartungen der Wirtschaft: „Für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort Berlin wünschen wir uns statt Enteignungsplänen und neuen Belastungen für die verbleibende Legislatur ein innovations- und wachstumsfreundliches politisches Klima im Berliner Senat, welches einer Weltmetropole gerecht wird und Unternehmen, Investoren, Touristen und Fachkräfte in Berlin willkommen heißt.“
Von Katharina Zalewski