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Standort Deutschland stärken – Unternehmensbesteuerung weiterentwickeln

Pragmatische Vorschläge aus der deutschen gewerblichen Wirtschaft
Frau arbeitet am Schreibtisch

Wie kann die deutsche Unternehmensbesteuerung wettbewerbsfähiger werden?

© Witthaya Prasongsin / Moment / Getty Images

Die Steuerexpertinnen und -experten der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) haben zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus weiteren deutschen Wirtschaftsverbänden konkrete Vorschläge für Verbesserungen der Besteuerung von Unternehmen entwickelt.

"Die deutsche Wirtschaft steht vor der Herausforderung, die Folgen der Corona-Pandemie und des Angriffskrieges von Russland gegen die Ukraine sowie die Transformation hin zu einer digitalen und nachhaltigen Wirtschaft zu meistern", heißt es in dem Papier, das die DIHK, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Bankenverband, der Handelsverband Deutschland (HDE), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel (BGA) und der Gesamtverband der Versicherer (GDV) veröffentlicht haben. "Gleichzeitig muss sie sich dem Wettbewerb mit Unternehmen an anderen Standorten stellen, die massive Subventionen erhalten (vergleiche 'Inflation Reduction Act' in den USA)."

Die Spitzenorganisationen der deutschen Wirtschaft halten es für dringend notwendig, dass die Bundesregierung bei den in diesem Kontext geplanten Unterstützungsmaßnahmen Belastungen der Unternehmen mit Steuern und Bürokratie als Standortfaktor einbezieht.

Aus Sicht der Wirtschaft sollte die Bundesregierung bei der Unternehmensbesteuerung Strukturreformen angehen, die das gesamte Besteuerungssystem systematischer gestalten und es vor allem deutlich vereinfachen. Den Unternehmen ist bewusst, dass Weiterentwicklungen des Steuerrechts mitunter Zeit brauchen – insbesondere dann, wenn internationale Abstimmungen erforderlich sind. Es gibt aber auch eine Reihe von Maßnahmen, welche die Bundesregierung und die Länder noch in dieser Legislaturperiode umsetzen können. Wir möchten mit den konkreten Vorschlägen in diesem Schreiben noch einmal nachdrücklich dafür werben, auch mit den Mitteln der Unternehmensbesteuerung zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen und damit des Wirtschaftsstandorts beizutragen.

Zur Beschreibung der Ausgangslage gehört die Feststellung, dass die Steuerbelastung der hiesigen Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen (inklusive Ergänzungsabgaben) im internationalen Vergleich hoch ist. Die nominelle Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften liegt bei durchschnittlich etwa 30 Prozent. Im OECD-Durchschnitt liegt die Steuerbelastung bei lediglich 23,1 Prozent, in der EU sogar nur bei 21,2 Prozent. Bei Personengesellschaften liegt die Steuerbelastung regelmäßig deutlich über 30 Prozent und in der Spitze bei bis zu 45 Prozent. Diese Nachteile für die hiesigen Unternehmen machen sich bei Investitionsentscheidungen immer stärker bemerkbar, nachdem Deutschland auch bei weiteren Standortfaktoren wie Energiekosten, Fachkräften, Digitalisierung und Infrastruktur zurückfällt. Dies gilt nicht nur im Vergleich zu Deutschlands unmittelbaren Nachbarländern, sondern insbesondere auch im Vergleich zu den USA.  

Ziel muss eine Anpassung der Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau sein. Eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags, aber auch eine Nachbesserung der Besteuerung von Personengesellschaften können hierzu beitragen. Zudem sollte der Ausgleich der kalten Progression jährlich statt wie bisher alle zwei Jahre erfolgen. Dies würde verhindern, dass Personenunternehmen in Zeiten hoher Inflation noch zusätzlich belastet werden.

Folgende Maßnahmen sollten aus Sicht der Unternehmen so schnell wie möglich umgesetzt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen:

  • Wie es andere Länder vormachen: Anreize für Investitionen setzen. Hierzu bieten sich in erster Linie Verbesserungen bei den Abschreibungsverfahren und bei der Verlustverrechnung an. So sollte die im Koalitionsvertrag angekündigte "Super-Abschreibung" beziehungsweise Investitionsprämie zügig eingeführt werden, zumal die EU-Initiative Green Deal Industrial Plan hierfür verbesserte Möglichkeiten eröffnet. Bis dahin könnte die degressive Abschreibung beibehalten werden. Ferner sollte die Bemessungsgrundlage für geringwertige Wirtschaftsgüter durch eine Anhebung der Wertgrenze auf 1.000 Euro erweitert werden. Die Pool-Abschreibung sollte deutlich attraktiver ausgestaltet werden, indem die Betragsgrenze angehoben und die Abschreibungsdauer deutlich verkürzt wird. Idealerweise sollte dabei aus Vereinfachungsgründen ein Gleichlauf mit der Handelsbilanz ermöglicht werden. Die Möglichkeit der Verlustverrechnung sollte auf einen Rücktrag von mindestens drei Jahren verbessert werden. Sinnvoll wäre es zudem, wenn Verluste auch gewerbesteuerlich zurückgetragen werden können. Der Verlustvortrag sollte nicht durch die sogenannte Mindestbesteuerung behindert werden. Diese Begrenzung sollte zumindest temporär abgemildert und schrittweise abgebaut werden. Weiterhin bestehende steuerliche Hindernisse für Investitionen in Dekarbonisierung, insbesondere Photovoltaik und emissionsarme Mobilitätsformen sowie energetische Sanierung sollten beseitigt werden.
  • Eigenkapital stärken. Bei Personenunternehmen sollte die bisher nur schwer nutzbare Thesaurierungsbegünstigung nachgebessert werden. Dies ist vor allem zur Finanzierung von dringend notwendigen Investitionen im Zuge des Transformationsprozesses sowie zur Liquiditätssicherung der Unternehmen in Krisenzeiten von größter Bedeutung. Handlungsbedarf besteht vor allem hinsichtlich der Absenkung der Thesaurierungsbelastung und bei den bestehenden Umstrukturierungshindernissen. Auch muss die Nachversteuerung bei späterer Entnahme einschließlich der Verwendungsreihenfolge nachgebessert werden, damit die Maßnahme auch für kleine und mittlere Unternehmen attraktiv ist. Zudem sollte die kürzlich eingeführte Option für Personengesellschaften zur Körperschaftsteuer verbessert werden, um ihre Akzeptanz zu erhöhen. Hierfür müssten Lösungen geschaffen werden, die eine unmittelbare Nachversteuerung von thesaurierungsbegünstigten Gewinnen sowie die Versteuerung stiller Reserven im sogenannte Sonderbetriebsvermögen vermeiden. Auch sollte die Option auch Einzelunternehmen eröffnet werden.
  • Das Steuerrecht modernisieren und vereinfachen. Wesentlich ist hier eine sachgerechte Neuordnung der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz (AStG), wozu insbesondere auch die Absenkung der Niedrigsteuergrenze auf das global vereinbarte Mindeststeuerniveau von 15 Prozent gehört. Auf diese Weise wird enormer Befolgungsaufwand vermieden. Steuerliche Behinderungen von Umstrukturierungen wie zum Beispiel durch die Grunderwerbsteuer, Sperrfristverletzungen oder die Behandlung des Sonderbetriebsvermögens sollten beseitigt werden. Auch die umsatz- beziehungsweise ertragsteuerliche Organschaft und die Geltendmachung von Quellensteuererstattungen und -anrechnungen sowie die Einlagenrückgewähr sind praxistauglich, rechtssicher und bürokratiearm zu reformieren. Mittelfristig sollte die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer zur Vermeidung von Befolgungsaufwand wieder mehr an die der Körperschaftsteuer angeglichen werden.
  • Doppelbelastungen vermeiden. Da die globale Mindeststeuer zu erheblichen administrativen Zusatzbelastungen für die betroffenen Unternehmen führt, sollten im Gegenzug Regelungen mit ähnlichem Ziel systematisch überprüft und gegebenenfalls ganz oder teilweise abgeschafft werden (zum Beispiel Zinsschranke, Lizenzschranke, AStG-Hinzurechnungsbesteuerung). Da nach wie vor noch nicht alle Details der globalen Mindeststeuer auf OECD-Ebene geklärt sind, sollte der für Anfang 2024 vorgesehene Starttermin um ein Jahr auf Anfang 2025 verschoben werden.
  • Den steuerlichen Erklärungs- und Befolgungsaufwand reduzieren. Betriebsprüfungen sollten konsequent digitalisiert und beschleunigt werden. Das Digitalisierungspotenzial sollte im gesamten Besteuerungsverfahren konsequent genutzt werden. Dazu gehört zum Beispiel die Einführung von digitalen Steuerbescheiden mit strukturierten Daten für alle Steuerarten. Nach wie vor bestehen im Steuer- und Handelsrecht digitalisierungsfeindliche Aufbewahrungs- und Schriftformerfordernisse, die angepasst werden müssen.
  • Berichts- und Compliancepflichten dürfen nicht weiter ausgebaut, sondern müssen reduziert werden. Mehrfachmeldungen des gleichen Sachverhalts müssen vermieden wer-den (Once-Only-Prinzip) und die Anzeigepflicht für nationale Steuergestaltungen unter-bleiben. Ebenso sollte sich das geplante sogenannte public-Country-by-Country-Reporting (pCbCR) zur Vermeidung von zusätzlichem Aufwand an der schon bestehenden Berichtspflicht gegenüber dem BZSt orientieren.  
  • Belastung durch Energie- und Stromsteuer senken. Wettbewerbsfähige Energie ist ein wesentlicher Standortfaktor. Angesichts der für die Unternehmen drastisch gestiegenen Energiekosten sollten die Energie- und Stromsteuersätze in Deutschland an das europäische Mindestniveau angepasst werden. Insbesondere energieintensive Unternehmen sind dringend auf eine Fortführung der stromsteuerlichen Entlastungen angewiesen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Zudem müssen jetzt die richtigen energiesteuerlichen Weichenstellungen für die Weiterentwicklung neuer Technologien (zum Beispiel Wasserstoffproduktion und Elektromobilität) gestellt und Anreize für die Nutzung klimafreundlicher Mobilität gesetzt werden."

Sie können sich das Papier auch hier im PDF-Format herunterladen:
Verbändepapier "Standort Deutschland stärken – Unternehmensbesteuerung weiterentwickeln" (PDF, 210 KB)

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Mann im Haus der deutschen Wirtschaft
Dr. Rainer Kambeck Bereichsleiter Wirtschafts- und Finanzpolitik, Mittelstand