Fokus

Wer teilt, gewinnt

Sind Daten für Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bürger verfügbar, profitieren alle – ein wichtiger Standortfaktor. Deswegen treibt die IHK Berlin Open-Data-Projekte voran.
Als ihr erstes Open-Data-­Angebot hat die IHK Berlin im vergangenen Monat auf dem Open-Data- Portal Berlins Gewerbedaten veröffentlicht. Geoinformationen zu rund 350.000 Gewerbetreibenden geben darüber Auskunft, wo in der Hauptstadt Unternehmen welcher Größe und aus welchen Wirtschaftszweigen ansässig sind. „Die Daten auf dem Portal werden von uns monatlich aktualisiert. Gleichzeitig wird mit den Daten sukzessive ein frei zugängliches Archiv aufgebaut, sodass später auch Zeitreihen abgeleitet und Entwicklungen der Berliner Wirtschaftsstruktur abgelesen werden können“, sagt Florian Koch, Head of Data Management bei der IHK Berlin. Man könnte dann zum Beispiel analysieren, welche Auswirkungen ein Großereignis wie eine Pandemie auf die Standorte der Unternehmen oder Branchen hat.
Einen Schritt weiter will die IHK Berlin mit ihrer neuen Plattform „OpenData4Business“ gehen, die gleichfalls noch im laufenden Jahr starten soll. Projektpartner ist die Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS), die von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe gegründet wurde und von der Technologiestiftung Berlin betrieben wird. „Ziel ist es, die als Open Data zur Verfügung gestellten Gewerbedaten mit anderen offenen Verwaltungsdaten zu kombinieren“, sagt Henrik Holst, Public Affairs Manager bei der IHK Berlin.
Dafür will die IHK Berlin ein Karten-Tool entwickeln. Ein Unternehmen kann dann zum Beispiel ohne großen Rechercheaufwand auf einen Blick erkennen, ob es etwa an einem Standort eine gute Internetversorgung hat, wie die Verkehrsanbindung oder die Energieversorgung ist oder auch welche potenziellen Lieferanten und Kunden sich in der Nähe befinden. Mittelfristig vorstellbar wäre zudem, dass man durch die Kombination dieser Daten untersuchen kann, wie sich ­Standortfaktoren in einem zeitlichen Verlauf auf die Ansiedlung von Unternehmen und Entwicklung von Branchen in einem Kiez auswirken.
Für Sebastian Stietzel, Präsident der IHK Berlin, steht fest: „Open Data entwickelt sich immer mehr zu einem wichtigen Standortfaktor und sollte als Motor für Innovation begriffen werden. Je mehr und je hochwertigere Datensätze vorliegen – das heißt maschinenlesbar und verknüpfbar –, desto spannender sind auch die Anwendungsmöglichkeiten von Open Data. Davon profitieren wir alle: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.“ Die Verwaltung sollte daher ihre eigenen Datensätze aufbereiten und nach dem Prinzip „open by default“ verfügbar machen, so Stietzel weiter. „Damit werden nicht nur Datensilos innerhalb der Verwaltung überwunden, sondern auch die Grundlage für besseres, evidenzbasiertes Verwaltungshandeln geschaffen.
Auch die Wirtschaft ist gefragt – sowohl bei der Datennutzung als auch deren Bereitstellung.“ Vorteile für die Wirtschaft sind aus Sicht des IHK-Präsidenten: Daten helfen Unternehmen dabei, die eigenen Prozesse zu optimieren oder neue, innovative Lösungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Gerade kleinere Unternehmen und Start-ups, die ansonsten vielleicht nicht über Zugang zu großen Datenmengen verfügen, können mithilfe von Open Data ihre eigenen Ideen vorantreiben. Beispielsweise können durch Verknüpfung und Weiterverarbeitung von offenen Verwaltungsdaten in den Bereichen E-Government und Smart City spannende Innovationen entstehen.
Den rechtlichen Rahmen für Open Data liefert das E-Government-Gesetz. Danach sind alle Behörden, Senats- und Bezirksverwaltungen einschließlich der Sonderbehörden des Landes Berlin verpflichtet, die Daten, die bei Ausüben der gesetzlichen Aufgaben anfallen, der Allgemeinheit als offene Daten zur Verfügung zu stellen, vorausgesetzt, der Datenschutz wird nicht verletzt. Anfang des Jahres 2023 finalisierte die Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport eine neue Open-Data-Strategie. Diese will sie voraussichtlich im Juli 2023 veröffentlichen.
„Ziel ist es, eine Data Governance für die Berliner Verwaltung zu entwickeln, die Datenbereitstellung qualitativ zu verbessern, die Datenkompetenz der Verwaltungsbeschäftigten zu stärken, ein internes Datenmanagement zu etablieren und die intelligente Datennutzung voranzutreiben“, erklärt Betül Özdemir, die zentrale Verantwortliche für Open Data im Land Berlin von der Senatsinnenverwaltung. Schon seit dem Jahr 2011 betreibt Berlin ein Open-Data-Portal. Dort finden die Datennutzenden die Daten, die die Senats- und Bezirksverwaltungen als auch die nachgelagerten Behörden in maschinenlesbaren Formaten wie Excel oder CSV mit jeweiligen Metadaten hinterlegt haben. Die Daten stehen kostenfrei jedem zum Download zur Verfügung. Die Besonderheit bei der Veröffentlichung auf dem Open- Data-Portal im Gegensatz zur Veröffentlichung auf anderen Webseiten sei es, so Özdemir, dass die Datenveröffentlichenden auch die Lizenzen beziehungsweise Nutzungsbedingungen für die veröffentlichten Daten angeben müssen.
Einen Schritt weiter gehen will der Senat mit dem geplanten Berliner Data Hub. „Bei dem Berliner Data Hub handelt es sich um eine zentrale gesamtstädtische Datenmanagement-Plattform. Der Fokus liegt zunächst auf der Einbindung der Daten aus der Berliner Verwaltung. Perspektivisch sollen Applikationen bereitgestellt und auch Daten von Dritten eingebunden werden“, erläutert die Open-Data-Verantwortliche. Dieser Hub solle als übergreifende Datenmanagementplattform eine Vielzahl von bestehenden Plattformen sowie Systemen über Schnittstellen verknüpfen, unter anderem das Open-Data-Portal des Landes Berlin. Den Datennutzenden, darunter Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bürger, soll der Berliner Data Hub das Teilen, Abrufen, Speichern und Bearbeiten von städtischen Daten ermöglichen. Hierdurch eröffnen sich laut Özdemir vielfältige Möglichkeiten und Potenziale, beispielsweise in Hinblick auf neue Anwendungen und Geschäftsmodelle, die aus den Daten entstehen können.
Die Blaupause für den Berliner Data Hub soll der FUTR HUB liefern. In der Urban Tech Republic der Tegel Projekt GmbH entsteht aktuell mit diesem Kompetenzzentrum für urbane Daten eine Open-Data-Infrastruktur, an der sich alle Unternehmen auf dem früheren TXL-Flughafengelände beteiligen (siehe Interview  auf Seite 26). Ein solcher Anwendungsfall für den Berliner Data Hub könnte auch die geplante Plattform „OpenData4Business“ der IHK Berlin werden, sagt Public Affairs Manager Holst. Erste Gespräche zwischen der Kammer und Projektpartnern laufen.
Laut IHK-Präsident Stietzel hat sich in den gut zehn Jahren seit dem ersten Open-Data-Strategiepapier des Berliner Senats auf diesem Gebiet zwar einiges bewegt. „Wenn wir allerdings schauen, wie Open Data in anderen Ländern wie Großbritannien oder in kleinerem Maß auch in Hamburg schon heute vorgelebt wird, sollte uns das als internationale Metropole hinsichtlich unseres eigenen Vorgehens zu denken geben. Unser Anspruch sollte sein, mit der angekündigten Aktualisierung der Open-Data-Strategie und dem Ausbau der städtischen Dateninfrastruktur die Lücke zu schließen und Berlin zu einem Vorreiter bei Open Data zu machen.“

Startschuss fürs Dateninstitut

Auch die Bundesregierung treibt – wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben – das Thema Open Data voran. Im Oktober 2022 fiel der Startschuss für ein neues Dateninstitut. Es soll das Teilen von Daten und deren Nutzung fördern sowie die Standardisierung vorantreiben. Der Gründungskommission gehört als Vertreterin der Wirtschaft die Berliner Unternehmerin Nicole Büttner-Thiel an. Als erste Anwendungsfälle schlug die Kommission drei Fälle vor: eine Plattform für Mobilitätsdaten für Kommunen, eine Verwaltungsdatenplattform zur Verbesserung von ­Politikentscheidungen am Beispiel der Gaspreisbremse sowie eine Forschungsförderung zum Thema Long Covid. Dabei sollen Open Data im Mittelpunkt stehen.
In einer Stellungnahme der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), für die auch die IHKs konsultiert wurden, heißt es: „Das Dateninstitut sollte als übergeordnetes Ziel die effektive Datenverfügbarkeit für Wirtschaft und Wissenschaft erhöhen. In Bezug auf Daten aus der öffentlichen Hand bedeutet dies vor allem, die bereits zur Verfügung stehenden Daten auch tatsächlich nutzbar zu machen und Behörden auf dem Weg zur Bereitstellung zu unterstützen.“ Wie viel Potenzial in den Datenschätzen steckt, das wird zwar Politik und Wirtschaft immer stärker bewusst. Doch noch stoßen viele Unternehmen beim Austausch von Daten auf Hürden. Dazu gehören auch unzureichende Rahmenbedingungen, die die Digitalisierung ausbremsen. In ihrer jährlichen Digitalisierungsumfrage, für die die IHK Berlin zwischen November und Dezember vergangenen Jahres 300 Berliner Betriebe befragte, gaben 31 Prozent an, dass sie sich mehr Open Data wünschten. Bundesweit waren es nur 24 Prozent.
von Eli Hamacher