Service

Digitale Zwillinge

Digital meets Mittelstand: In der 14. Ausgabe der Serie, die IHK Berlin und ÖFIT gemeinsam konzipieren, geht es um Anwendungspotenziale digitaler Abbilder physischer Objekte oder Prozesse.
Mit ein paar Klicks vom physischen Objekt zur digitalen Repräsentation: Das ist schon Realität in einigen Industriezweigen, wo digitale Zwillinge zu effizienteren Prozessen und reduzierten Kosten in der Produktion führen.
Ein Digitaler Zwilling (DZ) ist die digitale Darstellung eines materiellen oder immateriellen Objektes oder Prozesses der realen Welt. DZ ermöglichen einen Austausch von Daten und Informationen in Echtzeit zwischen physischem Objekt, Prozess oder der Person und dem digitalen Gegenstück. So entstehen Simulationen und Wirkungsmodellierung im Virtuellen, und es wird vermieden, (begrenzte) Ressourcen zu blockieren oder zu verbrauchen.

Immer mehr Anwendungsbereiche

In einigen Industriebranchen wie der Automobilindustrie, der Luftfahrt und dem Maschinenbau haben sich DZ im Zuge der Industrie 4.0 fest etabliert. Und sie gewinnen weiterhin an Relevanz, nicht zuletzt wegen der durch Verbesserungen in der Sensorik erleichterten lokalen Datenerfassung, und finden zunehmende Anwendung in anderen Bereichen wie im Gesundheitswesen, in der Logistik und in der Stadtplanung.
Es wird von drei Ausprägungen digitaler Zwillinge gesprochen, die sich durch unterschiedlichen Datenaustausch voneinander abgrenzen. Die erste Stufe ist ein sogenanntes „digitales Modell“: Daten zwischen dem physischen und dem digitalen Objekt werden manuell ausgetauscht. Änderungen des physischen Objekts wirken sich nicht auf das digitale Gegenstück aus (etwa ein 3D-Modell eines Gebäudes, das für die Planungsphase entworfen wurde). Die zweite Stufe wird als „digitaler Schatten“ bezeichnet. Sensordaten des physischen Objekts werden weitgehend automatisiert in das digitale Gegenstück eingepflegt, wodurch Veränderungen des physischen Objekts direkt im „Schatten“ abgebildet werden. Die dritte Stufe ist ein sogenannter „vollständiger DZ“: Durch einen automatisierten bidirektionalen Informationsaustausch führen Änderungen in einem der beiden Objekte, ob physisch oder digital, zu Auswirkungen auf sein Gegenstück. So kann das physische Objekt zum Beispiel digital gesteuert werden, was bei industriellen Robotern schon Einsatz findet.
Digitale Zwillinge spielen nicht nur in der Produktion eine immer größere Rolle, auch für den städtischen Einsatz sind sie interessant. Stuttgart und Leipzig, aber auch kleinere Städte wie Herrenberg und Kommunen wie Kirchheim bei München entwickeln DZ, mit denen sie Informationen aus verschiedenen Quellen analysieren sowie Änderungen und Szenarien simulieren können. Anwendungsgebiete gibt es viele: Echtzeitdaten zu Verkehrsstoßzeiten und Parkplatzbelegung beispielsweise, Sensorwerte zu Wasser- und Luftqualität, Daten zu Grundwasserspiegel, Ressourcenverbrauch und Infrastruktur. Stadtverwaltungen können so tiefere Einblicke gewinnen und fundierte Entscheidungen treffen, um Prozesse effizienter, kosteneffektiver und nachhaltiger zu gestalten. Im Projekt „smartBridge Hamburg“ wurde zum Beispiel mit digitalen und analogen Daten ein digitalier Zwilling der Köhlbrandbrücke entwickelt, als Tool für prädiktive und nachhaltige Instandhaltungsmaßnahmen an der Brücke.

Ein Zwilling von Deutschland

Neben den Vorhaben auf kommunaler Ebene arbeitet das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) an einem DZ des gesamten deutschen Staatsgebietes. Ausgangsbasis dafür ist ein einheitliches, flächendeckendes und hochpräzises 3D-Modell des Landes, das unter anderem durch luftgestütztes Laserscanning entsteht. Die 3D-Daten werden dann mit weiteren Daten verknüpft. Der vom BKG entwickelte DZ soll Behörden dabei unterstützen, Handlungsalternativen und Zukunftsszenarien durchzuspielen, um Herausforderungen wie den zunehmenden Flächenverbrauch, Energiebedarf und extreme Wetterereignisse anzugehen.
Digitale Zwillinge gelten zu Recht als eine vielversprechende Technologie, von der auch KMUs profitieren können. Je nach Branche können die Anwendungsgebiete sehr verschieden sein, die Basis aller DZ ist jedoch immer eine gute (kontinuierliche) Datengrundlage. Ob in der Produktion oder bei Informationssystemen im öffentlichen Sektor, die Nutzung von DZ ist ein Beispiel dafür, dass heutige Systeme mit passenden Schnittstellen ausgestattet sein sollten, um Informationsaustausch zu gewährleisten.

Pro & Contra

Wie jede technologische Neuerung ist auch der Digitale Zwilling mit Chancen und mit Risiken verbunden
Möglichkeiten
Wagnisse
Analysen im virtuellen Raum: ­Minimierung von Fehlern und Risiken
Technischer, personeller und finanzieller ­Aufwand für Erstellung und Betrieb
Aktive Mitgestaltung von öffentlichen Räumen durch Bürgerinnen und Bürger
Erhöhter Rechenaufwand für einen kontinuierlichen Betrieb von DZ
Optimiertes Personalmanagement und Workflow-Steuerung
Datenmengen und Verfügbarkeit von Quellen für ein aussagekräftiges Abbild
von Liadán Sage